Der Pflegedienst Helppy vermittelt feste Betreuungspersonen

Der finnische Pflegedienst Helppy ist in Berlin gestartet. Angehörige können Helfer buchen, die die Pflegebedürftigen nicht nur waschen, sondern auch mal mit ihnen Karten spielen.

Von Anna Pannen, 01.11.2022

Helppy

Nach dieser Nacht hatte er genug: Phillip Christ, gelernter Gesundheits- und Pflegeassistent, arbeitet für eine Zeitarbeitsfirma, als er im August für einen Nachtdienst an eine Berliner Pflegeeinrichtung vermittelt wird. Fünf Stationen mit je 30 Patienten, die Christ zusammen mit zwei anderen Pflegern betreuen soll. Nur: Die anderen beiden kommen nicht. Der 28-Jährige ist zwölf Stunden lang allein für 150 Patienten zuständig.

„In dieser Nacht bin ich weder den Patienten noch meinen eigenen Ansprüchen auch nur ansatzweise gerecht geworden“, sagt Christ. Danach weiß er, dass er so nicht mehr arbeiten will. Am nächsten Tag scrollt er durch Instagram und sieht eine Werbeanzeige: Helppy, der laut eigener Aussage „etwas andere Pflegedienst in Berlin“ sucht demnach Personal. Christ liest interessiert weiter und bewirbt sich noch am selben Tag.

Die Mutter des Gründers brauchte Pflege

Das Unternehmen Helppy gibt es seit August in Berlin. Das Unternehmen kommt ursprünglich aus Finnland. Dort wird 2016 die Mutter von Richard Nordström, einem Finanzberater aus Helsinki, überraschend krank und benötigt fortan Hilfe im Alltag. Nordström und seine Geschwister suchen nach einem Pflegedienst, sind jedoch schnell ernüchtert.

Sie treffen auf schlecht strukturierte Anbieter mit ständig wechselndem Personal, das außerdem nur die Grundbedürfnisse der Patienten abdeckt: Essen, Waschen, Medikamente geben. Aber keine Gespräche, keine Einkäufe oder Spaziergänge. „Wir hatten auf eine feste Betreuungsperson gehofft, mit der sich meine Mutter auch gut unterhalten kann und in deren Gesellschaft sie sich wohlfühlt“, sagt Nordström.

Aus dieser Erfahrung heraus gründet Nordström 2018 Helppy, einen persönlichen Pflegedienst, bei dem die Patienten immer von ein- und derselben Person betreut werden. Das Unternehmen konzentriert sich vorrangig auf Patienten, die noch nicht schwer krank und bettlägerig ist, sondern nur leichte Körperpflege benötigen: etwa Hilfe beim Duschen, Anziehen und Essen. Oder denen einfach Gesellschaft fehlt, weil die Angehörigen nicht häufig genug vor Ort sein können.

Auch Patienten in Pflegeeinrichtungen besuchen die Helppy-Mitarbeiter. Wo die Arbeit des dortigen Personals endet, setzen sie an, lesen den Patienten etwa vor oder sind einfach da und hören zu. Kern des Unternehmens ist die enge und regelmäßige Kommunikation mit den Angehörigen. Sie erfahren nach jedem Besuch, wie es dem Patienten an diesem Tag ging und was er erlebt hat.

Drei Jahre später kann das Start-up eine halbe Million Euro Gründungskapital einsammeln, 2022 kommen noch einmal drei Millionen Euro durch Investoren zusammen. Inzwischen gibt es Helppy-Niederlassungen in ganz Finnland, mehrere tausend Familien haben den Dienst bereits gebucht. Nun will Nordström sein Betreuungsnetzwerk von Berlin aus in alle größeren deutschen Städte bringen.

Waschen, kochen - oder vorlesen

Das System funktioniert so: Jeder, der Erfahrung in der Betreuung alter Menschen hat, etwa schon als Alten- oder Krankenpfleger gearbeitet hat, kann sich als sogenannter Helpper bewerben und muss einen kostenlosen Zusatzkurs absolvieren. Parallel können sich Familien, die eine Betreuung suchen, bei Helppy melden. Das Unternehmen führt dann beide Parteien zusammen. Am Anfang steht immer ein 90-minütiges Kennenlerngespräch, nach dem beide entscheiden können, ob sie es miteinander versuchen wollen.

Wenn die Chemie stimmt, können die Familien den Helpper stundenweise buchen, ohne Vertrag. 36 Euro kostet das pro Stunde, wobei die Pflegekasse ab Pflegegrad 1 monatlich 125 Euro erstattet. Die fest angestellten Helpper verdienen zwischen 13 und 16 Euro, als Pflegedienstleitung auch mehr. Was sie in der gebuchten Zeit machen, entscheiden die Patienten beziehungsweise deren Angehörige. Neben einfacher Körperpflege und Haushaltstätigkeiten können das Einkäufe, Spaziergänge, aber eben auch das Vorlesen der Zeitung oder eine Stunde Kartenspiel sein.

„Hier kann ich mich ganz auf die Patienten einlassen.“ Phillip Christ, Helpper

Phillip Christs erster Einsatz für Helppy ist nur kurz. Er kümmert sich als Urlaubsvertretung zwei Wochen lang um eine Patientin, die sonst von der eigenen Tochter gepflegt wird. „Ich habe sie morgens gewaschen und ihr Frühstück gemacht. Wir haben aber auch viel geredet, zum Beispiel über die Meldungen der Tagesschau. Und zusammen Fotos angeschaut“. Christ empfindet diese Arbeit als erfüllender als alle seine Pflegejobs zuvor.

„Ich habe es gehasst, die Patienten beim Essen drängeln zu müssen, weil ich wusste, in fünf Minuten muss ich schon beim nächsten sein. Jetzt kann ich mich zu 100 Prozent auf jemanden einlassen und mir genügend Zeit nehmen.“

Inzwischen hat Christ einen festen Patienten, um den er sich dauerhaft kümmert. Christ ist einer von bislang zehn Helppern in Berlin, wobei das Unternehmen derzeit intensiv um Mitarbeiter wirbt, sowohl um Voll- als auch um Teilzeitkräfte. Helppy ist auch mit der Pflegekasse im Gespräch, damit den Familien künftig mehr Helppy-Leistungen als bislang erstattet werden.

Zwanzig Berliner Familien haben den Dienst bislang in Anspruch genommen. Laut Nordström gab es von ihnen nur positive Rückmeldungen. „Wir sind gut erreichbar, antworten schnell, schicken immer dieselbe Person und die Familien bekommen regelmäßig Feedback“, sagt der Gründer. „Genau das hätte ich mir damals gewünscht, um nicht den ganzen Tag daran denken zu müssen, wie es meiner Mutter gerade geht.“

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